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  • Etsch bei Laag - dieser Abschnitt ist vergleichsweise kanalartig verbaut
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Wassernutzung

Staumauer am Pankrazer Stausee

Wer einen kritischen Blick auf die Gewässer Südtirol wirft, erkennt rasch, dass die überwiegende Mehrheit davon menschlichen Nutzungen unterworfen sind. So listet das maßgebliche Plandokument auf Landesgebiet, der Wassernutzungsplan, bereits für das Jahr 2009 über 14.000 Konzessionen für Wassernutzungen aus öffentlichen Wasserkörpern auf. Die wichtigsten Nutzungsformen betreffen die Kategorien Trinkwasser, landwirtschaftliche Nutzungen (Beregnung und Forstschutz), technische Beschneiung, hydroelektrische Nutzung (E-Werke), Antriebskraft und Industrie.

Der Verbrauch von Wasser auf Landesebene ist sehr erheblich. Allein die Landwirtschaft erreicht mit einem Verbrauch von etwa 170 Mio. m3 eine Wassermenge, welche das Volumen des größten Stillgewässers Südtirols, des Reschenstausees, um gut 40% überschreitet. Im Vergleich dazu liegt der Verbrauch für Trinkwasser bei etwa 50 Mio. m3 pro Jahr (Datengrundlage: http://umwelt.provinz.bz.it/downloads/04_WNP_2016_Teil_1.pdf).

Beeindruckend ist auch der Ausbaugrad der hydroelektrischen Energie, sprich die Dichte an E-Werken an den Fließgewässern des Landes. Die Gesamtanzahl von 1.000 Kraftwerken wurde bereits vor einiger Zeit überschritten, zudem kommen immer noch neue Konzessionsgesuche hinzu.
Legt man die Kraftwerksdichte (etwas vereinfachend) auf die Gesamtlänge des Fließgewässernetzes um, steht an Südtirols Bächen und Flüssen im Schnitt alle 10 Kilometer ein Wasserkraftwerk.

Die Gesamtheit an Kraftwerken entspricht heute einer Gesamtproduktion, die pro Jahr zwischen 5 und 6 Gigawattstunden Strom schwankt. Damit liegt die Produktion von elektrischer Energie um Einiges höhes als der landesweite Verbrauch. Im Jahr 2008 lag der Verbrauch wenig über 50% des produzierten Stroms.

Angesichts des sehr hohen Nutzungsdrucks um die Ressource Wasser, sind negative Begleiterscheinungen auf die Ökologie der Gewässer vorprogrammiert. Wasserableitungen wirken sich oftmals besonders gravierend auch auf die Fischbestände aus. Wasserkraftnutzung, landwirtschaftliche Nutzung und Ableitungen für die Erzeugung von technischen Schnee sind in erster Linie zu nennen.

1. Wasserkraft

Aufgrund der geografischen Lage Südtirols im Herzen der Alpen, der daher durchschnittlich großen Gelängeneigung verbunden mit großen Wasserressourcen, bietet sich Wasserkraft als alternative Energiequelle natürlich besonders an. Der Ausbaugrad in Südtirol ist sehr weit vorangeschritten. Mehr als 1.000 Kraftwerke bestehen bereits entlang einem Fließgewässernetz, dessen Ausdehnung in Kilometern kaum 10 mal diesem Wert entspricht.

Von allen Nutzungen sind gerade bei Wasserkraftnutzung die massivsten, negativen Auswirkungen auf den Fischbestand zu befürchten. Dies ergibt sich aus zwei wesentlichen Besonderheiten der Wasserkraft verglichen mit anderen Nutzungsformen. Wasserkraft wird in den allermeisten Fällen ganzjährig betrieben, während andere Nutzungen, wie Ableitungen für Beregnung oder zur technischen Beschneiung saisonal begrenzt sind. Zudem sind die Ableitungsmengen verglichen mit anderen Nutzungen sehr hoch. Damit wird bereits klar, dass aufgrund des ganzjährig stark veränderten Abflusses auch Auswirkungen auf den Fischbestand nicht ausbleiben werden. Hinzu kommen weitere schädliche Einflüsse der Wasserkraft, allen voran Schwallbetrieb, Spülungen von Stauräumen und die Unterbrechung des Fließgewässerkontinuums.

a) Restwasser

Wasserkraftwerke nutzen zumeist ganzjährig einen erheblichen Teil des natürlichen Abflusses eines Fließgewässers. Das Wasser wird auf großer Höhe abgeleitet und erreicht das Gewässer, dessen Vorfluter oder einen Stausee, auf einer tiefer gelegenen Höhenlage. Dadurch verkommt die Ausleitungsstrecke zu einer Restwasserstrecke. Selbst wenn das im Gewässer verbleibende Restwasser im Laufe der letzten Jahrzehnte gesetzlich nach und nach erhöht wurde, bleiben Defizite für die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässer bestehen. Dies betrifft vor allem auch die Fischbestände. Zunächst einmal ist es einfach nur der verminderte Abfluss, der sich auf die Bestände auswirkt. Restwasserstrecken können aufgrund der geringeren Wassermenge nicht jene Fischmengen beherbergen, welche bei voller Wasserführung vorliegen könnten. Geringere Wassertiefen und dadurch weniger geeignete Unterstände für größere Fische sind oft die Folge. Wenngleich Restwasserstrecken hierzulande oft noch gute Naturverlaichung aufweisen, können auch in Restwasserstrecken gerade auch hier Defizite auftreten. Dies erfolgt vor allem dann, wenn durch die Nutzung der Restwasserstrecke die lebensnotendige Dynamik im Wasserabfluss genommen wird. Fließgewässer brauchen nämlich periodisch wiederkehrende Phasen mit hohen Abflüssen, um sich selbst ihr Bett zu säubern und die damit die für Salmoniden notwendigen, lockeren Kiesflächen für die Fortpflanzung zur Verfügung stellen zu können.

b) Schwallbetrieb

Unterhalb der Wasserrückgabe von Speicherkraftwerken, welche das Wasser in Stauseen zurückhalten, um bei Bedarf Spitzenstrom zu produzieren, sind oft abrupte Änderungen der Wasserführung festzustellen. Ein besonders gravierendes Beispiel betrifft die unterste Strecke der Falschauer. Hier treten aufgrund der periodischen Änderung der Stromproduktion in kürzester Zeit massivste Änderungen der Wasserführung auf. Auf einen Mindestabfluss unter 1000 l/s folgen binnen weniger Minuten Abflüsse von über 20.000 l/s. Davon betroffen sind neben allen wirbellosen Gewässerbewohnern vor allem Jungfische. Bei Eintreffen der künstlichen Flutwellen müssen sie der hohen Strömungsgeschwindigkeit ausweichen, um nicht von der Flut fortgerissen zu werden, und suchen die ufernahen Bereiche auf. Fällt dann mit Ende der Spitzenstromproduktion der Abfluss wieder plötzlich ab, können die Jungfische dem zurückweichenden Wasser nicht mehr folgen, stranden und verenden. Zudem gilt es zu bedenken, dass diese raschen Wasserstandsschwankungen auch sehr gefährlich für alle Menschen sind, die sich in der Nähe der Gewässer aufhalten. Vor allem für Kinder kann dann die Nähe zum Fluss rasch zur lebensgefährlichen Bedrohung werden. Die Falschauer ist leider kein Einzelfall für Südtirol. Etwa 70% aller Flussläufe des Landes sind bis heute von Schwallbetrieb beeinträchtigt. Gerade in diesem Punkt besteht dringender Sanierungsbedarf – für die Sicherheit des Menschen und für den Fortbestand wildlebender Fischbestände.

c) Spülungen

Wasserkraftanlagen haben das Problem, dass sich durch Einbau der Ableitungsorgane in die Fließgewässer nach und nach größere Sedimentmengen anhäufen. Dieses Material, welches in einem natürlichen Fluss langsam Richung Tal weitertransportiert wird, kommt bei Wasserkraftanlagen zum Stillstand und wird dann plötzlich bei Betätigung der Spülorgane in Bewegung versetzt. Besonders gravierend zeigt sich dieses Problem bei der Spülung großer Stauseen, wie sie zum Beispiel beim Franzensfester und Mühlbacher Stausee immer wieder vorkommen. Der Abtransport großer Materialmengen über den Fluss, welche sich über Jahre im Stausee angesammelt haben, haben große Auswirkungen auf alle Wasserlebewesen in den unterhalb liegenden Flussstrecken. Vor allem für Jungfische sind die Auswirkungen dramatisch, sodass oftmals der Ausfall ganzer Jahrgänge zu beklagen ist.

d) Unterbrechung des Fließgewässer Kontinuums

Die Bauwerke, durch welche das Wasser zur Stromproduktion abgeleitet wird, unterbricht auch wichtige Wanderwege für Flussfische. Zwar sind heute an derartigen Anlagen Fischpässe gesetzlich vorgeschrieben, doch können diese alternativen Aufstiegsanlagen praktisch nie die ursprüngliche, natürliche Passierbarkeit, welche vor dem Bau der Anlagen bestand, vollständig ersetzen.

2. Landwirtschaftliche Nutzung

Auch Wasserableitungen für landwirtschaftliche Nutzungen, wie Beregnung und Frostschutz, können erhebliche Auswirkungen auch auf die Fischbestände haben. Dies gilt in erster Linie für Kleingewässer, welche aufgrund des geringen Abflusses besonders sensibel auf Ableitungen reagieren. Während heute alle Wasserkraftanlagen eine gesetzlich vorgeschriebene Restwassermenge einhalten müssen, bestehen auch in Südtirol immer noch landwirtschaftliche Konzessionen ohne Restwasservorschrift. Besonders kritisch ist die Situation vor allem in Trockengebieten, wie im Vinschgau. Vor allem bei Frostnächten im zeitigen Frühjahr, wenn große Wassermengen zum Schutz der Obstplantagen benötigt werden, fallen immer wieder Fischgewässer zur Gänze trocken. Massensterben von Fischen sind vielfach belegt.

3. Kunstschnee

Auch Ableitungen zur Erzeugung von Kunstschnee können kritisch für den Fischbestand sein. Dies gilt vor allem für Kleingewässer, wenn zur Grundbeschneiung der Pisten zu Beginn des Winters in kurzer Zeit große Wassermengen gebraucht werden und dann der Abfluss im Gewässer abrupt abfallen kann. Dies kann dramatische Auswirkungen für die Fortpflanzung der Salmoniden haben, da durch den fallenden Wasserstand die in seichten Gewässerabschnitten abgelegten Gelege der Fische trockenfallen.

Text: FishFirst

Flussstau an der Töll
Stauanlage an der Etsch bei der Töll
Spülung eines Stauraums - dadurch werden in kurzer Zeit große Mengen an Feinsediment über den Fluss abtransportiert
Schwall an der Etsch - täglich schwankt der Wasserstand aufgrund der Stromerzeugung (Foto: Vito Adami)
Sunk an der Etsch - täglich schwankt der Wasserstand aufgrund der Stromerzeugung (Foto: Vito Adami)
Staumauer am Pankrazer Stausee
Quellregion im Hochgebirge
Alte Mühle im Gadertal - Seit Jahrhunderten wird das Wasser als Antriebskraft genutzt