• Quellregion - Puni
  • Sommerwarme Gräben - die nährstoff- und pflanzenreichen Gewässer bieten vor allem Karpfenfischen beste Lebensbedingungen
  • Flachwasserzone im Süden des Kalterer Sees
  • Eisack
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  • Großer Seefeldsee3

Fließgewässer - Die Lebensadern des Landes

Raue Rampen ersetzen die einstigen Betonsperren an der Falschauer

Ein dichtes Netz von Fließgewässern entwässert das Gebirgsland Südtirol. Aufgrund der unterschiedlichen Höhenstufen, welche von den Gletscherregionen bis in die Tallagen der großen Flussläufe eine Höhendifferenz von über 3000 Metern und damit mehrere Klimazonen überwindet, bildeten sich unterschiedlichste Landschaftsformen aus. Auch die unterschiedlichen Fließgewässerformen sind Ausdruck dieser erstaunlichen Vielfalt. Insgesamt umfasst das Fließgewässer System des Landes über 4800 verschiedene Bäche, Flüsse und Gräben, welche sich in Summe über eine Länge von mehr als 9600 km erstrecken, was in etwa der 10fachen Wegstrecke zwischen Bozen und Bari entspricht. Neben dem dominierenden Flussgebiet der Etsch, zu welchem mit Ausnahme der Drau alle Flüsse des Landes gehören, hat Südtirol auch Anteil an anderen Flussgebieten. Im östlichen Pustertal entwässert der Sextner Bach in den Drau Fluss, der wiederum zum Flussgebiet der Donau gehört. Ebenso gehört das Flussgebiet des Inn zum Donau System. Der Stillebach, am Reschenpass, mündet in dieses Fluss System. Schließlich gehören zwei kleine Fließgewässer im Südosten Südtirols zum Fluss System des Piave, der wie die Etsch in die Adria mündet. Vom Berg in Richtung Tal können die Fließgewässer Südtirol aufgrund dem Vorkommen bestimmter Fischgesellschaften in die nachstehenden Typen unterschieden werden.

Quellregion

Diese oberste Fließgewässerregion stellt in den meisten Fällen keinen geeigneten Fischlebensraum dar. Zu hart sind die Lebensbedingungen im Hochgebirge. Lange Eisbedeckung, höhes Gefälle und karges Nahrungsangebot verhindern hier die Ausbildung stabiler Fischbestände. Nur sehr selten sind geringe Vorkommen von Bachsaiblingen oder Bachforellen vorhanden.

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Quellregion - Puni

Obere Forellenregion

Weiter talwärts wird das Gewässer allmählich “fischtauglich”. Die Wassermenge nimmt nach und nach zu, sodass das Gewässer selbst im Winter nicht bis auf den Grund vereist. Immer noch herrschen ganzjährig kalte Wassertemperaturen und zumeist starke Strömung vor. In diesen Gewässern dominiert in Südtirol zumeist die Bachforelle, welche hier oft als einzige angestammte Fischart vorkommt. In einigen Gewässern kommt als Kleinfischart auch die Mühlkoppe vor. Die Bachforelle hat diese Gewässer in den Südalpen wohl nicht seit jeher besiedelt, sondern wurde sehr wahrscheinlich durch Besatzmaßnahmen, teilweise wohl aber schon ab dem späten Mittelalter, als Nutzfischart angesiedelt. Jedenfalls findet die Bachforelle hier oft ideale Lebensbedingungen vor. Kalte Wassertemperaturen machen diesem Fisch nicht zu schaffen und zudem findet dieser Lachsartige durch die reichen Vorkommen von Kiesflächen ideale Laichmöglichkeiten. Oft sind es gerade diese Gewässerstrecken, welche in Südtirol auch heute noch weitgehend intakte Fischbestände mit dichten Beständen aufweisen. Einige Beispiele für diese Fischregion sind die Falschauer im Ultental, Schnalserbach und Plima im Vinschgau, die Talfer im Sarntal, viele Dolomitenabflüsse wie der Grödnerbach.

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Untere Forellenregion

Noch weiter flussabwärts vergrößert sich der Bergbach zusehends. Die Wassertemperaturen sind nach wie vor ganzjährig kalt, doch nimmt hier die Wassermenge durch Zuflüsse nach und nach zu. Das Gefälle nimmt stetig ab, sodass neben Rinnern mit stark strömendem Wasser auch strömungsberuhigte Strecken und tiefe Gumpen entstehen. Dies ist die Zone, wo in Südtirol die Bachforelle allmählich von der Marmorierten Forelle als Leitfischart abgelöst wird. Die Marmorierte Forelle stellt die einzige nachweislich heimische Forellenart unseres Landes dar und ist in dieses Gebiet mit dem Ende der letzten Eiszeit von Süden her eigenständig eingewandert. Neben Forellen kommen in diesen Fließgewässern oft auch Koppenbestände vor. Als zusätzliche Nutzfischarten sind teilweise auch Regenbogenforellen vorhanden, welche sich in Südtirol immer öfter auch eigenständig vermehren. Zu dieser Fischregion gehören beispielsweise die oberen Abschnitte von Etsch und Eisack.

Etsch im Vinschgau
Fließgewässer_3

Äschenregion

Noch weiter talwärts, dort wo sich für den Betrachter der Bergbach allmählich in einen Fluss wandelt, beginnt die Äschenregion. Das Gefälle in diesen Gewässerstrecken hat nun im Vergleich zu den bergseitigen Fließgewässern deutlich abgenommen, sodass der Fluss hier zumeist nur mehr mit mittlerer Strömungsgeschwindigkeit fließt. Damit können sich am Gewässergrund neben Kiesflächen auch zunehmend feineres Sediment, wie Sand, ablagern. Dies ist der wichtigste Lebensraum für die Äsche, welche in Südtirol vor allem in Etsch, Eisack, Rienz und vor allem in der Ahr vorkommt. Neben dieser Fischart kommen in diesen Gewässerstrecken als heimische Fischarten die Marmorierte Forelle, die Koppe und auch Neunaugen vor. Auch Aitel und Barben können bis in diese Gewässerstrecken vordringen. Ein typisches Beispiel für diese Fischregion ist die Ahr ab Sand in Taufers.

Eisack
Unterlauf der Rienz

Barbenregion

Weiter talwärts schließt die Barbenregion an. Noch geringere Strömung, abschnittsweise feine Sedimente und vor allem höhere Sommertemperaturen des Wassers kennzeichnen diesen Flussabschnitt. Hier dominieren zunehmend Karpfenartige, wie Barbe und Aitel, die Fischvorkommen. Zudem können Hechte, Karpfen und Flussbarsche vorkommen. Der Salmonidenbestand nimmt hier ab und erlischt schließlich noch weiter Richtung Meer, da die sommerlichen Wassertemperaturen für Lachsartige Fische nicht geeignet sind. Die eigentliche Barbenregion in der Etsch beginnt eigentlich erst ab der Gegend von Trient. Damit befindet sich Südtirol außerhalb dieser Fischregion. Lediglich die untersten Abschnitte des Flusses Etsch können bestenfalls in diese Region aufgenommen werden.

Etsch bei Laag - dieser Abschnitt ist vergleichsweise kanalartig verbaut
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Die Abzugsgräben der Talsohle

Die Ebenen der größeren Täler des Landes, allen voran jene des Etschtales, werden heute von einem dichten Netz künstlich angelegter Entwässerungsgräben durchzogen. Diese entstanden mehrheitlich im 19. Jahrhundert als der Mensch für die Erweiterung von landwirtschaftlichen Nutzungsflächen und für Infrastruktur die mit den Flüssen in Verbindung stehenden Feuchtgebiete trocken legte. Es ist wohl bis heute der größte Eingriff des Menschen in den Lebensraum Wasser. Die Länge des Etschflusses wurde durch Begradigung vom 63% und die Fläche der Auwälder gar um 80% reduziert. Viele der damals in diesen Feuchtgebieten, in Altarmen und Quellgebieten, beheimateten Arten waren fortan an alternative Lebensräume angewiesen. Eben solche alternative Lebensräume, wenngleich vom Menschen zur Entwässerung angelegt, stellen seither die Gräben der Talsohle dar. Hier finden heute seltene Fisch- und Krebsarten teilweise noch ansprechenden Lebensraum. So beispielswiese die Bachschmerle, die wohl seltendste Fischart des Landes, welche zumeist auf quellgespeiste Gräben als Lebensraum angewiesen ist. Zudem nutzen oft Koppen und Neunaugen diese Gewässer. Hingegen finden sich die große Mehrheit aller Steinbeißer Bestände Südtirols in sommerwarmen Gräben des Etschtales zwischen Meran und Salurn.

“Kalte” und “warme” Gräben

Aufgrund der unterschiedlichen Wassertemperatur können die Gräben in zwei Kategorien unterteilt werden: Einerseits Gräben, welche von Quellen gespeist werden und daher ganzjährig recht konstante, kalte Wassertemperaturen aufweisen. Hier leben neben Salmoniden (Marmorierte Forelle, Bachforelle und Regenbogenforelle) mehrere Kleinfischarten, wie Bachschmerlen, Koppen, Neunaugen, Stichlinge und Elritzen. Gänzlich verschieden gestaltet sich die Fischgesellschaft in vom Grundwasser gespeisten Gräben, welche im Sommer auch Wassertemperaturen über 20°C erreichen. Hier leben eine Vielzahl von Karpfenfischen, wie Karpfen, Schleien, Rotfedern, Rotaugen, Aiteln und Giebel (Karauschen). Zudem finden wir hier, tagsüber versteckt in den sandigen Böden, Steinbeißer und unter größeren Steinen auch Grundeln. Als Raubfische kommen oft Hechte und Flussbarsche sowie selten der Zander vor.

Die derzeitige Bewirtschaftung, mitsamt oftmals radikaler Entkrautung und großflächiger Materialentnahme, trägt der besonderen Bedeutung der Gräben für den Erhalt bedrohter Kleinfischarten in keinerlei Hinsicht Rechnung und muss dringend überdacht und verbessert werden.

Fließgewässer_7
Sommerwarme Gräben - die nährstoff- und pflanzenreichen Gewässer bieten vor allem Karpfenfischen beste Lebensbedingungen